In Österreich ist die Selbsthilfe in der Besitzstörung grundsätzlich unter bestimmten Bedingungen zulässig. Dies edoch nur dann, wenn gesetzliche Vorgaben beachtet werden.
Allgemeines
Selbsthilfe bezeichnet die Handlung, bei der eine Person ohne gerichtliche Hilfe in ihr Besitzrecht eingreift. Dies, um eine unrechtmäßige Besitzstörung zu beenden. Die Zulässigkeit der Selbsthilfe ist im Allgemeinen im österreichischen Recht stark eingeschränkt und bedarf einer genauen Abwägung der Umstände. Entscheidend ist, dass die Selbsthilfe nur dann gerechtfertigt ist, wenn der Störer widerrechtlich in den Besitz eines anderen eingreift. Und der Betroffene keine andere Möglichkeit hat, sein Recht schnell und effektiv zu wahren.
Zudem muss die Selbsthilfe verhältnismäßig sein. Das heißt, die Maßnahme darf nicht über das hinausgehen, was zur Beseitigung der Störung notwendig ist. In diesem Zusammenhang spielt auch die Frage der Fristwahrung eine Rolle. Es ist eine sofortige Reaktion auf die Besitzstörung erforderlich, um die Selbsthilfe zu rechtfertigen.
Verhältnismäßigkeit
Die Verhältnismäßigkeit spielt eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung, ob eine Selbsthilfehandlung im österreichischen Recht zulässig ist. Grundsätzlich darf die betroffene Person nur so weit eingreifen, wie es notwendig ist, um die unrechtmäßige Besitzstörung zu beseitigen. Dies bedeutet, dass die Selbsthilfehandlung nicht über das hinausgehen darf, was erforderlich ist, um den Besitz zu schützen oder wiederherzustellen. Die Maßnahme muss jedoch angemessen und verhältnismäßig sein. Das heißt, es darf keine übermäßige Gewalt oder überzogene Maßnahmen ergriffen werden.
Die Verhältnismäßigkeit wird durch verschiedene Faktoren bestimmt. Etwa durch die Schwere der Besitzstörung, die Dringlichkeit der Maßnahme und die verfügbaren Alternativen. So darf die Selbsthilfe nicht dem Störer einen größerer Schaden zufügen, als er durch die Besitzstörung verursachte. In Fällen, in denen der Eingriff in den Besitz nur zu einer geringfügigen Störung führt, wäre eine massive Reaktion unverhältnismäßig.
Ein weiteres Kriterium ist, dass die Selbsthilfe sofort erfolgen muss, um die Störung zu beenden, da sie sonst als unangemessen und nicht gerechtfertigt angesehen werden könnte. Dies bedeutet, dass die betroffene Person bei einer längeren Verzögerung oder wenn sie die Möglichkeit hat, sich an die Behörden zu wenden, ihre Selbsthilfe verlieren könnte. Letztlich muss die Handlung nicht nur im Verhältnis zur Störung stehen, sondern auch im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsordnung, die die Rechte und Freiheiten aller Beteiligten schützt. Eine genaue Abwägung der Verhältnismäßigkeit ist daher erforderlich, um sicherzustellen, dass die Selbsthilfe keine unnötigen Konflikte oder rechtliche Konsequenzen nach sich zieht.
Selbsthilfe bei Besitzstörung durch Abschleppen eines Fahrzeuges
Wie der Oberste Gerichtshof (OGH) unter anderem in seiner Entscheidung vom 20.12.2017 zu 10 Ob 34/17y entschieden hat, muss vor dem Abschleppen eines widerrechtlich, aber nicht behindernd abgestellten Fahrzeugs zuerst aus der Zulassungsevidenz der Zulassungsbesitzer erhoben werden, um diesem die Möglichkeit zu geben, das Fahrzeug selbst zu entfernen.
Es ist somit gemäß OGH die Selbsthilfe nur absolut ausnahmsweise dann erlaubt, wenn staatliche Hilfe zu spät käme und die Wiederherstellung oder Erhaltung des rechtmäßigen Zustandes mit den gelindesten Mitteln geschieht.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) stellte fest, dass Selbsthilfe stets mit angemessenen Mitteln erfolgen müsse, was eine Abwägung der Interessen erfordere. Durch das unerlaubte Abstellen des Fahrzeugs der Beklagten auf einem „freistehenden“ Parkplatz sei keine Behinderung von Einsatzfahrzeugen oder anderen Fahrzeugen bewirkt worden.
Das Abschleppen eines fremden Fahrzeuges von einem Privatgrundstück stellt daher in der Regel einen Akt der unzulässigen Selbsthilfe dar und ist wiederum als Besitzstörung zu qualifizieren. Ein Recht zur Selbsthilfe ist nur dann gegeben, wenn ein unwiederbringlicher Schaden droht. Deshalb sind zuerst zumutbare Erkundigungen nach der Person des Lenkers einzuholen, um ihm die Möglichkeit zu geben, das Fahrzeug selbst zu entfernen.
Zuerst aus Zulassungsevidenz den Zulassungsbesitzer erhben
In der Entscheidung des Oberste Gerichtshof (OGH) vom 20.12.2017 zu 10 Ob 34/17y stellte der OGH fest, dass vor dem Abschleppen die Mieterin des Parkplatzes aus der Zulassungsevidenz den Zulassungsbesitzer erheben hätte lassen müssen, um diesem die Möglichkeit zu geben, das Fahrzeug selbst zu entfernen. In diesem Fall waren sodann alle Kosten inkl. Prozesskosten von der Parkplatzberechtigten zu tragen.
Kosten der Selbsthilfe
Im österreichischen Recht stellt sich auch die Frage der Kostentragung bei der Selbsthilfe in der Besitzstörung. Insbesondere bei Fällen, in denen eine Person auf unbefugtes Abstellen von Fahrzeugen oder das widerrechtliche Besetzen von Privatgrundstücken reagiert, sind die Kosten der Selbsthilfe von Bedeutung. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist das Schild „Bei Zuwiderhandeln erfolgt kostenpflichtige Abschleppung“. Dieses Schild weist darauf hin, dass bei einer illegalen Nutzung von Parkplätzen oder ähnlichen Besitzstörungen die betroffene Person auf Selbsthilfe zurückgreifen kann, indem sie das Fahrzeug auf eigene Kosten abschleppen lässt.
Die Kostentragung im Zusammenhang mit solchen Selbsthilfehandlungen ist im österreichischen Recht klar geregelt. Grundsätzlich trägt die Person, die die Selbsthilfe anwendet, zunächst die Kosten für die Maßnahme. Das bedeutet, dass derjenige, der zum Beispiel ein Fahrzeug abschleppen lässt, die Abschleppkosten vorstrecken muss. Allerdings hat die betroffene Person in vielen Fällen das Recht, diese Kosten vom Störer zurückzufordern. In dem oben genannten Beispiel müsste der Fahrzeughalter, der unrechtmäßig auf einem Privatparkplatz geparkt hat, die Abschleppkosten übernehmen, da er durch sein Verhalten die Besitzstörung verursacht hat. Das Schild stellt dabei klar, dass die betroffene Person im Voraus auf diese möglichen Kosten hinweist.
Für den Störer bedeutet dies, dass er mit der Selbsthilfe rechnen und die anfallenden Kosten selbst tragen muss. Die betroffene Person kann im Falle einer Selbsthilfe auch gerichtliche Schritte einleiten, um die entstandenen Kosten für die Beseitigung der Besitzstörung einzufordern. Es ist jedoch wichtig, dass die Maßnahme der Selbsthilfe verhältnismäßig und angemessen bleibt, da andernfalls auch die Frage der Kostentragung in Zweifel gezogen werden könnte. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die betroffene Person bei der Anwendung von Selbsthilfe darauf achten muss, dass sie die gesetzlichen Vorgaben beachtet, um zu vermeiden, dass ihrerseits eine rechtliche Haftung für überzogene oder unrechtmäßige Maßnahmen entsteht.
Fazit
Zusammenfassend ist Selbsthilfe in der Besitzstörung in Österreich nur unter strengen Bedingungen zulässig. Die Maßnahme muss verhältnismäßig und notwendig sein, um die Störung zu beenden. Bei Fällen wie dem Abschleppen eines Fahrzeugs muss zuvor geprüft werden, ob zumutbare Alternativen bestehen. Die Kosten der Selbsthilfe trägt zunächst der Betroffene, kann diese jedoch vom Störer zurückfordern. Eine sorgfältige Abwägung der rechtlichen Voraussetzungen ist entscheidend, um rechtliche Konflikte zu vermeiden.