Privatkonkurs in Österreich: Aktuelle Entwicklungen und rechtliche Grundlagen

Die finanzielle Sanierung von Unternehmen und Privatpersonen spielt eine zentrale Rolle im österreichischen Insolvenzrecht. In diesem Artikel werden die aktuellen Regelungen und Verfahren zur Schuldenregulierung, zum Privatkonkurs und zum Sanierungsverfahren detailliert erläutert.

Grundlagen der Schuldenregulierung

Das österreichische Insolvenzrecht bietet verschiedene Möglichkeiten zur Schuldenregulierung, sowohl für Unternehmen als auch für Privatpersonen. Das Ziel besteht darin, eine faire Lösung zwischen Schuldnern und Gläubigern zu finden und wirtschaftliche Erholung zu ermöglichen.

Privatkonkurs

Der Privatkonkurs, auch als Schuldenregulierungsverfahren bekannt, steht natürlichen Personen zur Verfügung, die ihren finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können. Wichtige Aspekte des Privatkonkurses sind:

  • Voraussetzungen: Zahlungsunfähigkeit und ein ernsthaftes Bemühen um Schuldenregulierung.
  • Verfahrensablauf: Antragstellung, Erstellung eines Vermögensverzeichnisses, Zahlungsplan oder Abschöpfungsverfahren.
  • Mindestquote: Seit 2017 ist keine gesetzliche Mindestquote mehr erforderlich.
  • Dauer: In der Regel beträgt die Dauer 3 Jahre (verkürzte Entschuldungsfrist seit 2021).
  • Restschuldbefreiung: Nach erfolgreichem Abschluss des Verfahrens.

Sanierungsverfahren für Unternehmen

Für Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten gibt es das Sanierungsverfahren, das in zwei Varianten angeboten wird:

Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung:
Dieses Verfahren ermöglicht es den Schuldnern, weiterhin über ihr Vermögen zu verfügen und ihr Unternehmen zu sanieren.

Voraussetzungen:

  • Vorlage eines Sanierungsplans vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
  • Qualifizierte Vorbereitung mit den erforderlichen Unterlagen.
  • Mindestquote von 30 Prozent der Schulden, zahlbar innerhalb von zwei Jahren.

Verfahrensablauf:

  • Eröffnung des Verfahrens durch das Gericht.
  • Bestellung eines Sanierungsverwalters zur Überwachung.
  • Prüfung des Sanierungsplans und der Geschäftsführung.
  • Abstimmung der Gläubiger über den Sanierungsplan.
  • Bei Annahme: Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Wiedererlangung der vollen Verfügungsbefugnis.
  • Bei Ablehnung: Mögliche Verwertung des Unternehmens oder Übergang in ein Konkursverfahren.

Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung:

Im Gegensatz zum Verfahren mit Eigenverwaltung verliert der Schuldner hier die Verfügungsmacht über sein Vermögen.

Hauptmerkmale:

  • Mindestquote von 20 Prozent der Schulden, zahlbar innerhalb von zwei Jahren.
  • Bestellung eines Masseverwalters zur Geschäftsführung.
  • Möglichkeit der Unternehmensfortführung unter Aufsicht des Masseverwalters.

Aktuelle Entwicklungen

Restrukturierungsverfahren:

Mit der Umsetzung der EU-Restrukturierungsrichtlinie wurde in Österreich 2021 das Restrukturierungsverfahren eingeführt. Dieses Verfahren ermöglicht Unternehmen eine präventive Sanierung vor dem Eintritt der Insolvenz.

Wesentliche Aspekte:

  • Zielgruppe: Unternehmen mit drohender Zahlungsunfähigkeit.
  • Ziel: Vermeidung der Insolvenz durch frühzeitige Restrukturierung.
  • Verfahren: Außergerichtlich mit gerichtlicher Bestätigung des Restrukturierungsplans.
  • Vorteile: Erhalt der Geschäftsführung, Schutz vor Einzelvollstreckungen.

Verkürzung der Entschuldungsfrist:

Seit Juli 2021 wurde die Entschuldungsfrist im Privatkonkurs von 5 auf 3 Jahre verkürzt. Diese Änderung gilt sowohl für neue als auch für laufende Verfahren.

Auswirkungen der COVID-19-Pandemie:

Die Pandemie hat temporäre Anpassungen im Insolvenzrecht zur Folge gehabt:

  • Verlängerung der Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung.
  • Erleichterungen bei der Aufnahme von Überbrückungskrediten.
  • Flexibilisierung von Fristen in laufenden Insolvenzverfahren.

Praxisrelevante Judikatur:

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat in mehreren Entscheidungen wichtige Klarstellungen zum Insolvenzrecht getroffen:

  • OGH 17.12.2021, 8 Ob 101/21d: Klarstellung zur Anfechtbarkeit von Zahlungen im Rahmen eines Sanierungsverfahrens.
  • OGH 25.03.2022, 8 Ob 17/22h: Präzisierung der Voraussetzungen für die Eröffnung eines Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung.
  • OGH 30.06.2022, 8 Ob 46/22t: Auslegung der Bestimmungen zur verkürzten Entschuldungsfrist im Privatkonkurs.

Fazit

Die aktuellen Entwicklungen im österreichischen Insolvenzrecht zielen darauf ab, Schuldnern verbesserte Möglichkeiten zur Sanierung und zum wirtschaftlichen Neustart zu bieten. Gleichzeitig wird ein fairer Ausgleich mit den Interessen der Gläubiger angestrebt. Die Einführung des Restrukturierungsverfahrens und die Verkürzung der Entschuldungsfrist sind wesentliche Schritte in diese Richtung. Für Betroffene ist es ratsam, sich frühzeitig professionelle Unterstützung zu suchen, um die verschiedenen Optionen zur Schuldenregulierung zu prüfen und das am besten geeignete Verfahren auszuwählen.

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